Urban Tales

Mark Booch

Ein Portrait über den Besitzer des Hamburger Cafés „Erste Liebe Bar”.

Mark Booch hatte keine Lust auf eine typische Eckkneipe in einer Kleinstadt, daher entschied er sich für ein stylisches und minimalistisches Café mit dem Namen „Erste Liebe Bar“ in Hamburg. Seinen Siegfried erhielt er als einer der ersten Kunden, noch bevor jemals ein Schindelhauer-Rad in einem Laden stand. Als begeisterter Dortmund-Fan zeigt er, dass sich guter (Design-)Geschmack und Fußball nicht ausschließen müssen.

Kein Bock auf Masse

Ich und meine tolle Frau Sabrina besitzen die „Erste Liebe Bar“ in Hamburg. Wir haben keine Kinder, denn die Bar ist unser Baby. Es ist ein Fulltimejob. Bis Corona kam, hatten wir 7 Tage die Woche die Bude von morgens bis abends voll. Dann noch 2–3 Veranstaltungen, bis wir die Reißleine gezogen und 3 Monate Urlaub gemacht haben. Das Lokal wurde in dieser Zeit von uns umgebaut. 2020 konnten wir wieder anfangen. Dann aber kam Corona. Viel gearbeitet im eigentlichen Sinne haben wir während der Corona Zeit also nicht. Ich besitze die Bar jetzt seit 15 Jahren. Zum Glück konnten wir uns hier behaupten und mussten nicht umziehen. Jetzt war es aber mal Zeit, die Bar umzubauen. Vorher hatten wir viel Beton und viel Eiche. Vor 15 Jahren war der skandinavische Look sehr angesagt: Beton, Holz, Glas. So etwas gab es damals nicht. Aber das hatte sich geändert. Und die Hemmschwelle für ganz viele Touristen, die reinkommen, war nicht mehr da. Es wurde immer mehr Masse und ich hatte kein Bock auf die Masse. Dieser Bezug zu unseren Stammgästen ging verloren. Es wurde zwar immer mehr Umsatz, aber der Spaß wurde immer weniger. So haben wir uns irgendwann gesagt, dass wir etwas ändern müssen. Das Konzept und der Laden wurden komplett neu gestaltet.

Top-Qualität mit Sneaker und Jogginghose

In der Gastronomie gibt es für mich nur Top-Qualität. Und zwar in jedem Bereich. Du brauchst eine Hammer-Location mit einer Bomben-Einrichtung. Man sollte die besten Maschinen und die besten Lebensmittel benutzen. Das ist meine Meinung und am besten bist du auch noch mega freundlich zu deinen Gästen. Man muss nicht alles machen, was sie von einem verlangen, aber mir ist es wichtig, einfach den Leuten „Hallo“ zu sagen, wenn sie reinkommen. 

Und für mich ist das Miteinander wichtig. Im Augenblick kommen nur Stammgäste zu uns. Das macht gerade total viel Spaß. Auf 0815-Touristen habe ich eher weniger Lust. Wir haben aber viele gute Touristen, die sich mit Design beschäftigen, die sich mit Kaffee und gutem Essen beschäftigen. Das macht schon Spaß. Aber durch den „Billo-Tourismus“ hat das irgendwann keinen Spaß mehr gemacht. Die werden Freitag nachmittags in die Stadt geschwemmt und verlassen das Boot am Sonntag wieder. Und ob da jetzt Biergarten-Garnituren stehen oder eigens gemachte Tische oder Stühle sehen die nicht. Die pflanzen sich da einfach hin. Und von daher macht es gerade richtig viel Spaß.

Ich wollte immer Top-Qualität, aber auf eine lässige Art und Weise. Deswegen stehe ich auch im T-Shirt hinter dem Tresen, trage bunte Sneaker und habe immer eine Jogginghose an. Ich kann aber trotzdem einen Service wie in einem Sterne-Laden anbieten – ohne Stock im Arsch. Bei uns geht es mehr um die Kleinigkeiten. Unsere Gäste werden z. B. immer gefragt, ob sie Zucker zum Kaffee möchten. Und wir reichen ihnen den Zucker, auch wenn er nur 30 cm entfernt steht. Wir versuchen einfach aufmerksam zu sein. Wir haben einen sehr hohen Anspruch und deswegen ist es auch schwierig, das richtige Personal zu finden.

Einfach und gut

Während des Abiturs und meiner Ausbildung habe ich angefangen, hinter der Bar zu stehen. Damals war das auch noch cool. Ich habe nicht mit Kaffee angefangen. Mit 19 war das einfach eine coole Nummer und die Mädchen standen auf den Typ hinter der Bar. Heutzutage macht das doch niemand mehr. Heute werden sie alle Influencer. (lacht) Aber ich hatte nicht so wirklich Lust auf Clubs. Das war mir immer zu laut, zu viele Drogen und ich hatte auch keinen Bock mehr, nachts zu arbeiten. Irgendwann habe ich angefangen in einem Café zu arbeiten, wo der Chef immer richtig auf dicke Hose gemacht hat. Das war überhaupt nicht mein Style und deswegen machen wir die „Erste Liebe Bar“ auch anders. Wir verkaufen zwar geilen Scheiß, aber wir halten die Klappe. Ich mache Kaffee auf hohem Niveau, aber ohne dabei mega nerdig zu sein. Ich mache es einfach und gut ist.

D. I. Y. (Do It Yourself)

Ich komme aus einem eher konservativen Elternhaus aus einer Kleinstadt bei Dortmund. Dort ist der klassische Gastronom ein Eckkneipenbesitzer. Das war natürlich nicht das Idealbild, was sich meine Familie für mich gewünscht hat. Aber ich hatte da schon immer mein ganz eigenes Bild davon. Für mich war immer wichtig, dass ich das mache, was mir auch Spaß macht. Das hat ein paar Jahre gedauert, aber jetzt gebe ich z. B. Barista-Kurse, ohne dass ich je einen selbst besucht habe. Ich habe mir das alles selbst beigebracht. So etwas gab's ja früher auch nicht. Es hat natürlich gedauert, bis ich meinen ersten kleinen Röster hatte und bis wir unseren eigenen Blend entwickelt haben. 

Ewig jung geblieben

Ich versuche immer an allen Rädern zu drehen und mir von überall neue Inspiration zu holen. Ich fahre durch die Welt und gucke mir an, was die anderen machen. Du musst ja auch jung bleiben. Wie lange ist das cool, dass der alte Sack mit den grauen Haaren da hinterm Tresen steht? Man muss sein Produkt und seinen Laden modern verkaufen. Ich muss dafür keinen Bubble- oder Matcha-Tee machen. Wir hängen aber z. B. auch noch etwas hinterher, was das ganze vegane Thema angeht. In Berlin musst du einfach veganen Kuchen und bestimmte Produkte haben. Das musst du in Hamburg noch nicht.

Fahrräder und Kaffee

In meinem Leben bin ich schon immer gerne Rad gefahren. Und Kaffee hat auch schon immer eine Bedeutung gespielt. In den letzten 10 Jahren bin ich aber kaum noch Rennrad gefahren, weil die Arbeit in der Bar immer mehr wurde. Und dann kam der Zwangsurlaub durch Corona. Dann habe ich mir letztes Jahr ein neues Rennrad gekauft und bin dadurch wieder in die „Szene“ eingestiegen. Ich habe viele alte Bekannte getroffen, aber auch viele neue Leute kennengelernt und seitdem kommen irre viele Radrennfahrer her. Und jetzt ist die Symbiose aus Kaffee und Radfahren noch viel mehr da als früher. Früher bin ich eher nur für mich gefahren und habe vereinzelt an gemeinsamen Rennen oder Ausfahrten teilgenommen. Aber die Community ist anders geworden. Die Leute fahren jetzt zusammen. Die sind vernetzter. Die tauschen sich aus. Ich möchte jedoch kein klassisches Fahrradcafé sein. Erst recht nicht mit einem Sponsor oder Fahrradhersteller im Rücken. Die Leute können sich hier treffen, können hier losfahren und bekommen hier ihren Kaffee für die Hälfte, aber mehr muss es dann auch gar nicht sein.

Couch-Potato

Meistens stehe ich gegen 5:30 Uhr auf und fahre gegen 6:30 Uhr zum Café. Vorher kaufe ich noch etwas für den Laden ein. Ab 6:30 Uhr ist Sabrina im Café und backt alles selbst, bereitet die Panini-Sandwiches vor, macht die Salate vormittags, wäscht und schneidet alles. Und ich bin hier, um die Leute zu unterhalten. Das ist eigentlich ihr Part, da sie auch gerne und viel kommuniziert, aber aufgrund der jetzigen Situation (Covid 19) sind wir momentan nur zu zweit. Im Normalbetrieb sind wir morgens erst mal zu zweit, dann zu dritt, mittags zu fünft und danach wieder zu zweit. Meistens arbeiten wir bis 16:30 Uhr oder 17:30 Uhr. Danach steige noch für eine kleine oder größere Runde auf‘s Rad oder fahr direkt nach Hause. Ein total langweiliger Typ. (lacht) Das habe ich auch meiner damaligen Freundin (jetzt Frau) gesagt, aber sie wollte mir nicht glauben. Ich bin total gern zu Hause und genieße die Ruhe. Das brauche ich einfach als Ausgleich zum Job. 

Schwierig, aber gemütlich

Hamburg ist eine sehr lebenswerte Stadt und ich vermisse hier eigentlich nichts. Das Wetter ist schwierig, aber Hamburg ist gemütlich. Berlin ist z. B. eine echte Großstadt, die rough und hart ist. Und umso älter ich werde, umso härter finde ich Berlin. Du kannst hier alles mit dem Fahrrad machen. Ich bewege mich um die Alster und um den Hafen. Das war‘s. Hamburg ist natürlich auch eine Großstadt, aber Berlin ist multikultureller, da passiert viel mehr, dort ist die Gastroszene viel größer, größere und mehr Firmen. Es ist dort viel spannender, aber trotzdem möchte ich dort nicht leben.

Bier und Fußball

Ich bin Westfale – Dortmunder Junge. Das bekommst du auch nicht raus. Ich liebe Bier und ich liebe Fußball. Die Bar hier kann noch so stylisch und schickimicki sein, aber das bekommst du nicht raus. Es gibt für mich nur schwarz-gelb (Borussia Dortmund) und ich lebe das auch so, wie das halt ein Mensch aus dem Ruhrgebiet lebt. Das kann ein Hamburger nicht verstehen. Aufgrund der (teils dramatischen) Dortmundspiele kennen mich meine Nachbarn bisher ganz gut (lacht).

Luftpumpe vs. Maschinen

In meiner (wenigen) Freizeit dreht sich eigentlich alles um Fußball und Fahrrad fahren. (lacht) Wenn möglich fahre ich auch zu den Spielen von Borussia Dortmund. Ich habe immer noch meine Auswärts-Dauerkarte. Es war natürlich immer toll, wenn Dortmund gegen Hamburg gespielt hat. Dann sind meine Jungs aus der Heimat hergekommen. Aber meistens sehe ich die Jungs auf Auswärtsfahrten. Und wenn es dann im Europapokal in eine schöne Stadt geht, dann hängt man natürlich auch noch gern ein paar Tage dran. Im Sommer bin ich eigentlich fast täglich mit dem Rad unterwegs. Aber ich brauche auch viel Regeneration, da ich fast nur mit (Ex-)Profis fahre. Ich bin halt eine Luftpumpe. (lacht) Irgendwie hab ich hier nur so „Maschinen“ um mich herum, aber es wird immer besser.

Barfuß am Strand

Ich bin total wetterfühlig, besonders bei Kälte. Ich habe zwar wintertaugliche Kleidung und ab und an fahre ich auch Fahrrad im Winter, aber ich fühle mich bei kalten Temperaturen auf dem Rollentrainer wohler. Ich bin halt ein Genussmensch, ich liebe Wärme, ich mag das Barfußsein, Wasser und Strand. Sobald es also wärmer wird, auch wenn es nur für eine Stunde ist, schwinge ich mich auf‘s Rad und fahr einfach los. Hamburg hat mittlerweile auch eine bessere Fahrradinfrastruktur, sodass ich innerhalb kürzester Zeit schnell raus bin und einfach nur fahren kann. Kopf aus und nur die Natur genießen.

Espresso und Cornetti

Mit dem Fahrradfahren verbinde ich viel Stressabbau. Die Corona-Zeit war insbesondere für uns auch wirklich nicht einfach. Aber sobald ich auf dem Fahrrad sitze, ist alles weg und ich habe klare Gedanken. Das hatte ich schon immer beim Sport. Früher, als ich joggen war, hat das auch wunderbar funktioniert. Ich fahre Fahrrad des Fahrradfahrens wegen. Aber auch wegen dem Erlebnis in der Natur. Wir können auch mal schnell fahren, aber mir geht es dabei nicht primär um ballern und Radrennen. Mir ging es nie um irgendwelche Vergleiche. Dafür hatte ich auch nie den richtigen Ehrgeiz. Mir ist‘s egal, ob ich jetzt mit 20 km/h durch die Gegend ballere oder mit einem 35er-Schnitt. Im Zweifel fahre ich lieber 20, weil ich dann viel mehr meine Umgebung wahrnehmen kann. Wenn ich z. B. in Italien unterwegs bin, möchte ich in jedem Dorf anhalten, Espresso trinken und Cornetti essen. Und wenn dort ein See ist, dann möchte ich auch da reinspringen. Bevor ich zum Rennrad kam, war ich auch viel mit dem Mountainbike im Sauerland unterwegs. 

Wear pro, ride slow

Wir hatten damals im Hinterhof von unserer Bar eine Filmproduktion, aus der dann ein Fahrradladen entstanden ist. Stephan (Head of Design Schindelhauer) brachte damals die allerersten Prototypen durch den Hauseingang und ich war total begeistert vom Siegfried. Da ich ein stark visuell veranlagter Mensch bin, wollte ich den Siegfried unbedingt kaufen. Zum Glück konnte ich Stephan überzeugen und habe somit einen der ersten Siegfrieds erhalten, bevor sie überhaupt im Laden standen. Darüber hinaus muss, wenn ich mir ein Fahrrad kaufe, der Sattel bequem sein, aber er muss auch geil aussehen. Dementsprechend individualisiere ich meine Räder auch sehr stark. Ich mag z. B. den gebogenen Lenker von Schindelhauer nicht. Also habe ich mir einen neuen Lenker und neue Griffe gekauft. Ich entferne auch sämtliche Spacer am Vorbau, nur damit es sportlicher aussieht. Wear pro, ride slow. (lacht) Ich mag Minimalismus und wenig Farbe. Das ist nicht unbedingt massenkompatibel, das ist mehr Liebhaberei. Vor 10 Jahren war der Markt noch nicht reif dafür, aber heute sieht man an jeder Hamburger Ecke ein Schindelhauer. (lacht)

Wie am ersten Tag

Schindelhauer steht für mich für Ästhetik, Qualität und Authentizität. Und Qualität ist mir sehr wichtig. Für Qualität muss man aber auch Geld ausgeben. Das ist leider so, aber du hast auch länger etwas davon. Mein Schindelhauer-Siegfried ist jetzt 13 Jahre alt und es fährt sich immer noch wie am ersten Tag. Ich werde oft auf der Straße auf mein Siegfried angesprochen. Hamburg ist eine reiche Stadt und ich kenne viele, die ein Schindelhauer fahren. Auch viele von unseren Stammgästen. Die haben teils sehr gut bezahlte Jobs und können sich locker ein Schindelhauer leisten. Aber die Leute lassen es nicht so sehr raushängen. Die tragen ein normales T-Shirt und eine Jeans. 

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