Urban Tales: bikedudes - In diesem Portrait stellt Schindelhauer seinen langjährigen Premiumhändler bikedudes vor.
27. Oktober 2021

Urban Tales: bikedudes

Ein Bekannter von mir hat mal zu mir gesagt: „Wenn ihr euch selbstständig macht, macht nicht den Fehler und kauft euch gleich einen Mercedes, wenn ihr Erfolg habt.“ Und genau das haben wir ziemlich wörtlich genommen. Die Gewinne wurden immer wieder direkt in den Laden gesteckt und wir haben nicht angefangen, auf großem Fuß zu leben, wenn es mal besser lief. Und so haben wir es geschafft, von ein paar Gebrauchträdern zu einem relativ anständigen Fahrradladen zu werden. Mittlerweile beträgt unsere Verkaufsfläche insgesamt 115 qm und die Gesamtfläche mit Lager und Werkstatt beträgt 380 qm. Wir haben zehn Mitarbeiter, wovon viele aber auch nur in Teilzeit arbeiten.

Bikes + Dudes = bikedudes

Ich weiß nicht, ob wir uns heute noch mal so nennen würden. Dennis und ich haben in einer WG gewohnt und überlegt, wie wir uns nennen können. Dann kamen wir irgendwann auf Dude Bikes, weil wir einen Tag davor den Film „The Big Lebowski“ geschaut haben. Da hatten wir eigentlich bereits gesagt, dass wir das machen.

Dann kam aber ein Freund von uns und meinte, dass wir das nicht machen können – das sind Fahrräder für Jungs, für Kumpels. Dreht das lieber um und macht Bike Dudes. Dem haben wir zugestimmt. Und die Einstellung vom Film spiegelt sich natürlich etwas in unserer Persönlichkeit wider. Wir sind recht locker. Dennis ist zum Beispiel von Kopf bis Fuß tätowiert. Wir sind nicht die klassischen Fahrradladen-Besitzer.

Vom Studenten bis zum Milliardär

Unsere Kundschaft ist eigentlich bunt gemischt. Vom Studenten, der sich das Fahrrad jahrelang zusammenspart, bis hin zum Manager, der extra aus Kalifornien einfliegt. Das ist ein Stammkunde von uns, der einmal im Jahr beruflich nach Berlin kommt, sich von seinem Chauffeur hier absetzen lässt, um bei uns zu shoppen. Wir haben aber auch einen russischen Millionär oder sogar Milliardär, der regelmäßig zu uns kommt, um ausschließlich limitierte Schindelhauer-Fahrräder zu kaufen. Wir kennen bereits seine Rahmengröße und packen das entsprechende Rad dann meist schon zur Seite, sobald ein neues auf den Markt kommt. Ich glaube, wir hätten uns am Anfang nicht erträumt, dass wir es jemals mit solchen Kunden zu tun haben werden. Wir wollten eigentlich nur unser eigenes Geld verdienen, ohne einen Chef, der unser Gehalt bezahlt.

Auf Augenhöhe

Was uns von vielen unterscheidet, ist, dass wir ein hochwertiges Sortiment haben, aber dennoch ein relativ junges und lockeres Team sind, welches einen sehr großen Wert auf Kundenservice legt. Und wenn ein Kunde mal nicht zufrieden ist, bemühen wir uns sehr darum, auch ihn noch irgendwie zu einem glücklichen Kunden zu machen. Es gibt leider den schlechten Ruf der kleinen Fahrradläden, aber wir wollen den Leuten zeigen, dass das auch anders geht. Wir möchten zudem auch nicht überheblich rüberkommen. Die ganz normale ältere Damen mit ihrem Diamant-Fahrrad wird bei uns genauso behandelt wie der Manager aus Kalifornien. Das ist für uns total egal – jeder wird gleich behandelt.

Wir haben uns immer größte Mühe gegeben und haben eine recht hohe Kundenzufriedenheit und einen großen Kundenstamm. Die Online-Bewertungen sind auch ziemlich gut, also scheinen wir ja einige Sachen richtig gemacht zu haben. (lacht) Darüber hinaus möchten wir unsere Mitarbeiter_innen auch anständig behandeln, respektieren und fair bezahlen.

Qualitätsstandards

Eigentlich gehen wir gar nicht so nach den Marken, sondern schauen eher, was das Fahrrad hat und kann. Was wir generell nicht machen, sind Federgabeln – die benötigt man hier in der Stadt einfach nicht. Wir wollen Fahrräder für die Stadt und das Umland anbieten. Die Räder müssen auf jeden Fall qualitativ hochwertig sein. Ein 350 € voll ausgestattetes Fahrrad stellen wir uns nicht rein, da es einfach nicht unseren Qualitätsstandards entspricht – das geht einfach nicht unter 500–600 €. Aber natürlich spielt auch das Design eine Rolle. Das jeweilige Fahrrad soll schön aussehen und ansprechend sein. Nicht nur einfach ein Fahrrad, sondern auch ein bisschen Kunstobjekt.

Der erste Angestellte

Es gab schon sehr viele schöne Momente, aber einer davon war sicherlich unser erster Angestellter. Die Vergrößerung des Ladens war auch etwas Besonderes, da wir gemerkt haben, dass wir langsam zu einem richtigen Fahrradläden heranwachsen. Vorher war es eher eine kleine Schrauberbude und plötzlich waren wir auf einmal ein vollwertiger Fahrradladen.

Herausforderungen

Die größte Herausforderung hatten wir 2017/2018. Damals haben sich bei allen möglichen Herstellern die Liefertermine verzögert. Auch bei Schindelhauer. Und dann haben wir im Frühjahr plötzlich alles auf einmal erhalten und mussten natürlich alles auch gleich bezahlen. Ohne Investor und Kredit stand man erst einmal da und musste schauen, wie man das irgendwie hinbekommt. Das war der Moment, in dem ich zum allerersten Mal richtig Muffensausen bekommen habe.

Mechaniker vs. Office Manager

Ich bin Mechaniker und das macht mir auch am meisten Spaß. Momentan sitze ich aber eigentlich nur noch am Computer und mache Büroarbeiten. Gelegentlich helfe ich noch beim Neurad-Aufbau oder im Verkauf. Aber eigentlich sitze ich nur noch am Schreibtisch und das ist leider das, was ich am meisten hasse. Den Bereich gebe ich aber nach und nach ab, damit ich mich auf die Eröffnung am Bodensee konzentrieren kann.

Fahrrad-Infrastruktur in Berlin

Die Fahrrad-Infrastruktur in Berlin ist auf jeden Fall ausbaufähig. Klar gibt es mittlerweile mehr Fahrradwege, die verkehrssicherer gemacht und die teils auch auf die Straßen verlegt wurden. Aber im Großen und Ganzen ist da noch viel zu wenig passiert. Von Politikern erhoffe ich mir dahingehend recht wenig. Die Fahrradfahrer:innen und Bürger:innen müssen die Initiative ergreifen. Sie müssen zum Beispiel mehr Unterschriften sammeln, damit Druck auf die Politik entsteht. Das passiert ja auch bereits, nur eben zu langsam. Überall in Berlin wurden in den letzten Jahren die Häuser renoviert, aber die Fahrradwege blieben lange vergessen.

„Schindelhauer hat uns bei unserem Erfolg auf jeden Fall sehr geholfen.“

2010, also noch ganz am Anfang, standen Jörg und Stephan mit ihrem klapprigen VW-Bus vor der Tür. Damals gab es nur Viktor und Siegfried als Modelle. Wir waren von Anfang an von der Qualität und dem Potenzial überzeugt. Den Zahnriemen als Alternative zur herkömmlichen Kette kannten damals nur sehr wenige. Viele Händler waren den Schindelhauer-Rädern sehr skeptisch gegenüber, aber wir haben immer Lust, neue Dinge zu probieren und haben die Räder einfach mit ins Sortiment genommen. Gewicht und Design waren natürlich auch ausschlaggebend. Und auf einmal war Schindelhauer im Lufthansa-Magazin und hat den Red Dot Design Award gewonnen. Schindelhauer hat uns bei unserem Erfolg auf jeden Fall sehr geholfen. Ich denke, ohne Schindelhauer wären wir nicht so weit gekommen. Der gute persönliche Kontakt ist aber definitiv auch ein Faktor für die lange Zusammenarbeit. Wir können auch mal Kritik loswerden, die angenommen wird. Bei anderen Herstellern ist das meist anders.

Herr Scholz betritt den Laden

Olaf Scholz (Bundesfinanzminister) hat sich sein Schindelhauer bei uns gekauft. Wir mussten damals den ganzen Laden absperren und es gab unglaublich viel Security. Das war jedoch eher ein Einzelfall, aber wahrscheinlich kommen genau solche Menschen gern zu uns, weil sie bei uns ganz normal behandelt werden.

Persönliches Lieblingsmodell

Ganz klar Siegfried. Aber für Ausflüge, Touren oder Reisen finde ich Wilhelm mit Pinion ziemlich optimal.

Topseller

Den einen Topseller gibt es eigentlich nicht. Mal wollen alle Ludwig, dann wollen alle Friedrich. Arthur und Antonia sind aber auf jeden Fall immer sehr gefragt. Vom jetzigen Moment ausgehend sind es Greta und Arthur.

Berlin – Bodensee Verbindung

Ich werde aus familiären Gründen zurück nach Süddeutschland gehen, damit meine Kinder in der Nähe ihrer Großeltern aufwachsen. Ich werde dann am Bodensee einen Laden aufmachen. Der Laden in Berlin wird jedoch bestehen bleiben. Dennis wird, obwohl er aus Berlin kommt, ebenfalls zum Bodensee ziehen. Dort wollen wir noch mal neu starten. Aber es wird ein hartes Stück Arbeit, denn zur Zeit gibt es kaum noch Fahrräder am Markt. Unser Sortiment bleibt eigentlich recht ähnlich, wobei wir ein bisschen mehr Gravel- und E-Bikes mit ins Sortiment nehmen werden. Auch bei Schindelhauer werden wir den Fokus mehr auf die E-Bike-Modelle oder Modelle wie Wilhelm legen. Wir werden zudem unsere Web-Präsenz mit einem Online-Shop erweitern. Ich bin davon überzeugt, dass der reine stationäre Handel in Zukunft Schwierigkeiten bekommen wird, wenn man online nichts anbietet. Aber wir machen uns damit keinen Zeitdruck, da wir ein recht solides Fundament haben.